Die letzten Monate haben vieles verändert – und das bisherige Live- und Konzertgeschäft völlig über den Haufen geworfen. Zwar gibt es zum Glück hin und wieder Shows, die mit großem Aufwand (und zu hohen Kosten, als das die Sache rentabel wäre), Live-Musik im Rahmen der notwendigen Hygiene-Maßnahme vor Publikum möglich machen, trotzdem passierte ähnlich wie in der Arbeitswelt spannendes auf den heimischen Tablets, Smart-TVs oder Laptops. Wir wollen mal einen Blick auf ein paar besonders gelungene Beispiele werfen und uns am Ende fragen: Ersetzen diese Konzepte bald unseren Gang in den Club oder auf das Festival des Vertrauens?

Eine der spektakulärsten Events fand Ende April in dem Kult-Videospiel Fortnite statt: US-Rapper Travis Scott war nach dem DJ Marshmello der zweite große Act, der sich mit der Software-Schmiede Epic Games zusammentat. Über einen Zeitraum von zwei Tagen hatten Spieler die Chance seinem Event beizuwohnen, das natürlich wenig mit einem Live-Konzert zu tun hat, außer das vielleicht in Teilen live gespielte Musik aus den Boxen kam. Großes Kino war der Auftritt trotzdem, wie man in der Aufzeichnung sehen kann. Und für einen Großteil von Scotts Fanscharen eigentlich perfekt, da viele dieser Kids vermutlich eh lieber auf einer Fortnite-Insel rumhängen als im Real Life. Scott erreichte jedenfalls nach Angaben des Labels über zwanzig Millionen Menschen – die in keine Konzerthalle der Welt gepasst hätten.

Für die ältere Garde der Musikhörenden funktionierte eher das Konzept von Altmeister Nick Cave. Der spielte ein Solo-Konzert am Piano in den historischen Hallen des Alexandra Palace und ließ sich dabei von einem preisgekrönten Kameramann filmen. Erst hieß es, es sei ein „Once In A Lifetime“-Event. Da das Interesse jedoch riesig war, die intime musikalische Darbietung recht einzigartig, und die Fans vermutlich eh alle illegale Aufnahmen machten, bringt Cave das Konzert nun nochmal als Film und als Live-Album raus. Technisch natürlich auch eher ein Konzertstream – aber immerhin mit einem Anspruch, der nichts mit all den ruckeligen Wohnzimmer-Stream-Konzerten zu tun hat, die man anderswo sah.

Ähnliche Aktionen gab es zum Beispiel auch bei den Giant Rooks und Biffy Clyro, die beide große Konzert-Produktionen an den Start brachten und Tickets zum Online-Stream anboten.

In Sachen Clubshows zeigte die britische Band Everything Everyhting, wie man virtuelle Welten und Konzerte zusammenbringen kann. Sie spielten in einem Virtual-Reality-Club: Fans hatten die Möglichkeit mit einem Avatar dort herumzulaufen. Man konnte sich gegen Aufpreis gar ein virtuelles Shirt gestalten, das dann ein paar Wochen später im richtigen Leben per Postbote ausgeliefert wurde.

Auch die großen Festivals stellten eigene virtuelle Events auf die Beine oder verschmolzen Shows vor kleinem Publikum mit einem Online-Stream. Unser geliebtes Parookaville zum Beispiel fand für 200 glückliche Gewinner*innen live statt und für tausende als Stream. Das Wacken 2020 wiederum setzte auf Konzerte, die in einem Studio vor einem Green Screen aufgenommen und dann mit beeindruckenden, programmierten Kulissen und Bühnen ausgestrahlt wurden. Die EDM-Instanz Tomorrowland wiederum war fast näher am Fortnite-Konzept und brachte die Live-Auftritte der Acts in eine virtuelle Welt, in der sich die Fans bewegen konnten. Als Headliner begeisterte Katy Perry Fans auf der ganzen Welt. Auch das sah sehr spektakulär aus:

Bei diesem riesigen Aufwand drängt sich natürlich die Frage auf, ob diese Virtual-, oder besser Mixed-Reality-Events die Zukunft des Konzerterlebnisses sind. Die Antwort dürften alle parat haben, die in diesem Sommer trotzdem die Chance hatten, mal live und wahrhaftig Musik von Angesicht zu maskiertem Angesicht zu erleben: All diese sehr unterhaltsamen Konzepte sind maximal eine Ergänzung der Möglichkeiten für die Acts, ein Publikum auf der ganzen Welt zu erreichen. Konzerte leben von der Bühnenpräsenz, sie leben von der Interaktion mit den Menschen, die auf und vor den Bühnen stehen, sie haben eine Aura, die bisher einfach noch nicht per Internet übertragen werden kann – völlig egal, wie schnell diese auch ist. Deshalb erfreuen wir uns an den frischen Ideen, die man gerade überall sehen kann – und drücken weiter ganz fest die Daumen, dass Liveshows bald wieder zumindest annähernd so möglich sind, wie wir sie kennen und lieben gelernt haben.

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