Der Ton ist dringlich, die Demonstration alles andere als das große Konzertfeuerwerk, das diese Branche auch hinbekommen hätte – hier soll es eben nicht um Unterhaltung gehen, sondern um politisches Handeln, das dafür sorgt, dass wir auch in Zukunft gut unterhalten werden. Unter dem Bündnisnamen #AlarmstufeRot versammelten sich am Mittwoch rund 5000 Menschen vor dem Brandenburger Tor, um auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen. Unter strenger Einhaltung von Abstand und Maskenschutz standen dort Booker*innen, Künstler*innen, Tontechniker*innen, Tourbusfahrer*innen, Roadies, Security-Mitarbeiter*innen – also all die Menschen, die sonst, meistens im Hintergrund, dafür sorgen, dass wir alle auf Konzerte gehen, Musik genießen und uns dabei sicher fühlen können. Dass das inmitten einer Pandemie gerade nicht wie gewohnt geht, wissen alle – und es wird von den Veranstalter*innen gleich mehrfach betont: „Unsere Demo geht NICHT gegen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung der Bundesregierung“, heißt es gleich am Anfang – die unterstütze man, weil sie eben Leben retten. Dass genau diese Auflagen parallel zur Demo bei der Videokonferenz der Kanzlerin für den November verschärft wurden – sehr zu Ungunsten von Musik und Kultur - ist eine etwas böse Ironie, die aber auch nur unterstreicht, wie rot besagte Alarmstufe ist.
Gleich mehrere namhafte Künstlerinnen und Künstler von Schlager bis Punkrock äußerten sich dann im Rahmen des Programms und machten deutlich, worum es der Branche geht. Ein Mitglied der Ostberliner-Kultband KARAT rief sehr passend: „Wir haben Angst um unsere Crew!“ Campino, der kurz darauf sprach, erklärte: „Ich stehe hier stellvertretend für viele Musiker, Künstler, Leute, die Solidarität bekunden wollen in dieser Situation. Denen beiseite zu stehen, die uns in normalen Zeiten Tag für Tag ermöglichen, auf eine Bühne zu gehen und unseren Beruf und unsere Kunst auszuüben. Es geht um Bühnenbauer, LKW-Fahrer, Licht- und Tontechniker, Security-Unternehmen. Handwerker, Cateringfirmen, Theater, Kinos, Gastronomie und Hotels. Es geht um über eine Million Arbeitsplätze und Existenzen, die seit März wie in einem Berufsverbot leben müssen oder aufgrund der Bestimmungen ohne jeden Gewinn wirtschaften.“
Der Live- und Eventbranche, die übrigens die sechstgrößte Branche Deutschlands ist, fehlt allerdings auch eine starke Lobby, wie sie die Automobil- oder die Finanzwelt hat. Das machte ein weiterer namhafter Künstler kürzlich deutlich – und gab zu, dass man vielleicht auch einfach zu leise war. Till Brönners Statement auf seinem Facebook-Kanal wurde jedenfalls auch unter den Demo-Besucher*innen hart gefeiert. Der Fotograf und Jazz-Musiker traf in seiner Facebook-Ansprache das perfekte Maß aus Solidarität, Selbstkritik an der Branche, Dringlichkeit – und ja, eben auch Wut:
Am Brandenburger Tor folgten noch Auftritte von Schlager-Instanz Roland Kaiser und eine musikalische Darbietung von Arnim von den Beatsteaks mit Rod von Die Ärzte. Sogar Dieter Hallervorden hielt eine feurige Rede. Es waren aber auch viele begleitende Statements in den Medien und im Internet, die dafür sorgten, dass die Probleme und die Dringlichkeit so langsam ankommen. So nutzten Die Ärzte ihren denkwürdigen Auftritt bei den Tagesthemen, um auf die Situation aufmerksam zu machen:
Und auch Caroline Kebekus wendet sich mit einem offenen Brief an die Regierung, der die Sachlage gut auf den Punkt bringt:
Ein Beitrag geteilt von Carolin Kebekus (@carokebelin) am Okt 28, 2020 um 7:06 PDT
Das Motto „#AlarmstufeRot“ ist also leider alles andere als alarmistisch, sondern eine Realität. Hoffen wir also alle, dass Politik und Branche in den nächsten Wochen einen Weg finden, damit die Hilfe endlich ankommt und wir auch nach der Pandemie wieder dieses herrlich wild wuchernde Konzert- und Eventleben haben, das wir erst jetzt so richtig zu schätzen wissen.
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